WG216 – Briefentwurf an Alma Mahler
Berlin, Donnerstag, 26. Oktober 1911 oder kurz danach

Deine Heiratsanzeige
           Kein Widerruf

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und \auf/ einige\n/ Eigenschaften
trotze ich mit Stolz,
die lassen sich nicht
mehr biegen – um
keinen Preis

 Hoffentlich – wenn
ich älter bin und sicherer
im Leben dastehe, – werde
ich mi Deine Sehnsucht
nach Unterlegenheit,
nach Knechtschaft
befriedigen können

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Wie Du es so lieb sagtest
Dein Wagen ist voraus-
gefahren und ich muß
nun zusehn, daß ich
ihn wieder einhole.
Ich weiß genau, daß

ich bei meiner Natur
Dir nichts oder alles
sein kann, ein Zwischen-
stadium ist undenkbar.

 Einige Deiner Bemer-
kungen sind mir so
furchtbar nahe gegangen!
Es kommt ja immer
nur darauf an, wie
lange einer die Fähig-
keit besitzt, den anderen
mit gleich verklären-
dem Blick zu betrach-
ten.

Ich will jetzt alles

aufbieten meine Position
so zu befestigen, daß ich es
mit gutem Gewißen (abge-
sehen von Dir und Deinen
Intentionen) wagen darf
Dir meinen – Ring anzubieten

Ich bin doch ganz
traurig über all die
\inneren u äußeren/ Mängel, die Du ent-
deckst.

Deine gan edle, reine

innere Schönheit macht,
daß ich Dich anbete.

warte – warte – warte

auf mich. .

 Durch ein langes Leben
Dein Denken und Empfin-
den von der ursprünglichen
Form

 Ich brauche Dich – ich
kann mir mein Leben
ohne Deine Liebe
nicht mehr vorstellen.
Meine Kunst, meine
Menschlichkeit kann ich
mir nicht ohne Dich
gedeihend denken

Man weiß ja nie, wie
etwas war, bevor mans
recht durchdacht hat.

 Eben mußte ich
furchtbar lachen, denn
falscher Rock u Weste
wie Harlequin, so
intensif hatte ich an
Dich gedacht.


Apparat

Überlieferung

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Quellenbeschreibung

4 Bl. (4 b. S.) – Notizblock.

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

keine.

Datierung

Trotz fehlender Korrespondenzstellen kann die Datierung dieses Entwurfs durch den Inhalt erschlossen werden. Auch in WG214 bezog sich WG auf die fälschliche Heiratsmeldung AMs (WG215), die er wahrscheinlich am 26. Oktober gelesen hatte, nach eigener Aussage kurz nach der Rückkehr nach Berlin von seinem Treffen mit AM auf dem Semmering. Tatsächlich scheint der Entwurf unter dem Eindruck eines gerade eben stattgefundenen persönlichen Treffens entstanden zu sein, weshalb ein Entstehungsdatum am oder kurz nach dem 26. Oktober 1911 vorgeschlagen wird.

Übertragung/Mitarbeit


(Elisabeth Behnle)


A

Deine Heiratsanzeige Kein Widerruf – s. WG215 vom 26. Oktober 1911: Die Witwe Gustav Mahlers […] vermählt.